Führungskräfte weinen nicht!? Emotionen zulassen.

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Wir gehen dem 3. Jahrtausend entgegen. Auf der ganzen Welt erhöht sich der Druck auf Führungskräfte durch eine Internationalisierung der Märkte und die sogenannte digitale Revolution. Wieviel Emotionen dürfen wir uns in einer Welt, die von Künstlicher Intelligenz und Robotik geprägt ist, noch erlauben?

Täglich erhalten wir mehr Informationen, um bessere Performance zu erzielen. Unser voller Mail-Account bestätigt uns, das dauernd etwas zu tun ist. Alles ist in Bewegung und doch hat man oft das Gefühl, dass man nichts verändert. Auf jedes erledigte Mail folgen zwei neue Aufgaben – eine Situation, die an die griechische Göttersage von Herakles und seinem Kampf mit der lernäischen Hydra erinnert.

Auch die Trennlinie zwischen relevant und redundant wird immer verschwommener. Und dabei ist es gar nicht die Erhöhung der Geschwindigkeit allein, die uns Schwierigkeiten bereitet. Es ist kaum mehr möglich, die Gesamtheit des Systems zu erfassen.

Und in so einer Zeit der Überforderung, soll ich mich mit Gefühlen auseinandersetzen?

Emotionen gehören zum (Über)Leben dazu

Im Laufe der Evolution hat es sich für Säugetiere als positiv herausgestellt, wenn sie über eine differenziertere Kommunikation verfügen als zum Beispiel Reptilien. Deshalb nennt man jenen Teil unseres Gehirns, der für Gefühle verantwortlich ist, umgangssprachlich auch das sogenannte Säugetiergehirn.

Nun ist jeden klar, dass man Emotionen wie Freude, Begeisterung, Motivation und manchmal auch Aggression (nicht zu verwechseln mit Gewalt) braucht. Aber wozu bitte soll zum Beispiel das Weinen dienen? Und welche Funktion soll es für eine Führungskraft haben?

Wenn Sie ein kleines Mädchen auf der Straße sehen, das gerade gestürzt ist und weinend mit blutenden Knie auf dem Gehsteig sitzt – wie reagieren Sie? Wahrscheinlich gehen Sie hin und helfen dem kleinen Mädchen. 

Während Giraffen schon wenige Stunden nach der Geburt laufen können, benötigt es beim Menschen durchschnittlich 12 Monate, bis wir uns einigermaßen auf zwei Beinen fortbewegen.

Während dieser gesamten Zeit ist dieser Säugling von seinem Umfeld abhängig. Der Mageninhalt reicht am Anfang nur für ein paar Stunden. Wie macht sich das Baby nun bemerkbar? 

Es weint. Und wir reagieren.

In Wahrheit ist weinen nur ein Hilferuf, der das Umfeld darauf aufmerksam macht, dass man auf Unterstützung angewiesen ist.

In der patriarchischen Welt haben viele von uns gelernt, dass man mit dem Weinen – zumindest wenn man als erwachsen gelten will – aufhören soll.

Auch in meiner Kindheit habe ich oft gehört: „Jetzt hörst du auf zu weinen, oder ich gebe dir einen Grund, damit du weinen kannst“.

Ich wurde darauf konditioniert, dass mein Hilferuf keine Unterstützung brachte, sondern nur noch mehr Probleme hervorruft. Also begann ich meine Probleme alleine zu lösen und sah das (zunächst) als eine großartige Strategie.

Wie aber kann ich diese Emotionen in den Griff bekommen, weil raus müssen sie.

Emotionen annehmen und umwandeln

Nun kann man Emotionen aber nicht abstellen. Sie verändern sich einfach nur. Anstelle von Trauer empfand ich in solchen Momenten dann Aggression und mit dieser veränderten Emotionsenergie löste ich dann meine Herausforderungen.

Mit wachsenden Anforderungen in meinem Leben stellte sich aber dieses Modell als nicht funktionell dar. Und spätestens in meiner Zeit als Leistungssportler wurde mir bewusst, dass ich auf die Hilfe von anderen angewiesen war.

Als Leistungssportler geht man ja regelmäßig an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit – und kommt auch immer wieder in die Über-Forderung. Der eigentliche Trainings- (oder Superkompensations-)Effekt stellt sich aber erst in der Erholungsphase ein. Und so lernte ich mit einem multi-professionellen Team aus Physiotherapeuten, Mentalcoach, Kampfsporttrainer usw. meine Leistungen schrittweise zu erhöhen.

Mittlerweile betreue ich selbst auch einige Ex-Leistungssportler, die jetzt in der Wirtschaft Fuß gefasst haben, im mentalen Bereich. Einer schrieb mir gerade vor einigen Tagen:

„Ich bin, neben meinem Beruf, Sportler, und weiß wie ich trainieren muss, um mich physisch laufend zu verbessern. Was mir bis jetzt immer fehlte, war ein guter Zugang zur psychischen, mentalen Komponente – nicht nur im Sport, auch im Berufsleben und allen anderen Lebensbereichen.

Chris war derjenige, der mir gezeigt hat, wie ich meine mentalen Entwicklungsfelder bearbeiten kann. Wie ich Blockaden und Hürden, die in meiner Psyche vorhanden waren/sind, erfolgreich nehmen kann.“

Veraltete Rollenbilder in der Führung loslassen

Das Gefühl bzw. die Suche nach Unterstützung ist keine Schwäche, sondern ein berechtigtes Zeichen, um einen besseren Output zu erzielen.

Führungskräfte, die noch in ihrem alten Muster stecken, und versuchen alles allein zu machen kommen daher zwangsläufig in Burnout-Gefahr.

Daher nehmen Sie rechtzeitig die Signale ihres Körpers ernst. Und geben Sie sich ehrliche Antworten auf Fragen wie:

  • Haben Sie noch Lust in die Arbeit zu gehen?
  • Können Sie auch am Wochenende nicht aufhören an die Arbeit zu denken?
  • Grübeln Sie vor dem Einschlafen über die Probleme des nächsten Tages?
  • Verlieren Sie die Freude an Ihren Hobbys?
  • Haben Sie weniger Zeit für Ihre Hobbys?

Wenn mehrere Punkte dieser Liste auf Sie zutreffen, dann überlegen Sie sich, ob Sie vielleicht ein Supervisions-Coaching oder eine Peergroup in Anspruch nehmen wollen.

Fazit: Weinen ist kein Zeichen von Schwäche

In eine kurzzeitige Überforderung zu kommen ist im Grunde nichts Tragisches, sondern Zeichen einer anspruchsvollen Tätigkeit.

Wichtig dabei ist, die Abwechslung von Leistung und Erholung. Denn: Kein Sportler, kein Manager und nicht einmal eine Maschine kann dauernd 100% geben.

Es ist kein Zeichen von Schwäche – sondern vielmehr von Stärke! – sich dabei von Anderen auch Unterstützung zu holen.

Über den Autor:
Ing. Christian Peherstorfer ist Corporate Trainer und Coach in Wien. Auf kreative Weise verbindet er seine langjährigen Erfahrungen als Hochbau-Ingenieur, aus dem Leistungssport und der Psychologie, um Unternehmen und Mitarbeiter für alternative Sichtweisen und Lösungsansätze zu begeistern.

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